Bad Sassendorf/Hamm Die Lebensmittelversorgung in Deutschland ist zwar gesichert, aber der Preis dafür ist unter verschiedenen Aspekten hoch. Das ist das Fazit einer Informationsveranstaltung von Westfalen e.V., der Interessenvertretung für die Bürgerinnen und Bürger in den Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold und Münster. Etwa 60 Zuhörerinnen und Zuhörer verfolgten die Ausführungen von Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Bauernverbandes, und Norwich Rüße, Sprecher für Landwirtschaft, Natur und Umwelt der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, auf Haus Düsse. Karl Werring, Präsident der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe, begrüßte als Hausherr die Teilnehmer und stellte einleitend klar, dass bei der Versorgung mit Lebensmitteln “auch der Blick auf weniger privilegierte Regionen” gelenkt werden müsse.
“Durchschnittlich kommt nur 22 Prozent des Geldes, das Verbraucher für Lebensmittel bezahlen, auf den Höfen an”, erläuterte Beringmeier, der mehrfach eindringlich für ein “angemessenes Einkommen” für seinen Berufsstand warb und sich vehement gegen weitere Auflagen und Verbote – etwa beim umstrittenen Thema Einsatz von Pflanzenschutzmitteln – aussprach. “Die Landwirtschaft darf nicht der „billige Jakob“ sein”, stellte Rüße klar. Für die Erzeuger müsse ein möglichst sicherer Absatz gewährleistet werden, denn nur so sei wirtschaftliche Planbarkeit für Bäuerinnen und Bauern möglich. Die neue schwarz-grüne Landesregierung werde den Außer-Haus-Verkauf von Lebensmitteln – etwa beim Einsatz der Produkte in Kantinen und für die Verpflegung in Schulen und Kindergärten – stärken, kündigte Rüße an. Es sei “teilweise beschämend, wie billig das Essen sein muss”, warb der Grünen- Agrarexperte, der selbst einen Bio-Betrieb im Kreis Steinfurt betreibt, für mehr Wertschätzung für Lebensmittel. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse seien einerseits zwar für Verbraucherinnen und Verbraucher sehr teuer geworden, andererseits könnten die hohen Preise zu größerer Wertschätzung von Lebensmitteln führen. Schließlich sei das Wegwerfen von Lebensmitteln schlicht “dekadent”. Dass es in Deutschland “Ernährungssouveränität” gebe, sei sehr wichtig. “Andere Länder hängen am ukrainischen Weizentropf wie wir am russischen Gastropf”, befand Rüße.
Während Beringmeier für einen angepassten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln warb, forderte Rüße, dass die Landwirtschaft noch naturverträglicher werden müsse. Trotz der weltweiten Lebensmittel-Versorgungskrise dürften die Standards nicht mittel- bis langfristig gesenkt werden, weil das zu gravierenden Folgen – etwa fürs Klima – führe. Gleichzeitig müssten die bereits umgesetzten ökologischen Leistungen der Landwirtschaft individueller berücksichtigt werden. Flächenverbrauch gebe es traditionell besonders in Gebieten mit hochwertigen Böden, schlug Rüße eine Kopplung bei der Entwicklung von Gewerbeflächen mit der Verfügbarkeit von landwirtschaftlichen Nutzflächen vor.
“Die größte Herausforderung für Schwarz-Grün ist der Flächenverbrauch”, zeigte Rüße den Zusammenhang zwischen Lebensmittelproduktion, Klimawandel und Artenvielfalt auf. “Wir sind zur Zusammenarbeit bereit”, signalisierte Beringmeier die Dialog- und Kompromissbereitschaft seines Berufsstandes. Nur über Kooperationen seien Fortschritte erzielbar. Ohne “sinnvolle Gebote” werde es wohl keine fruchtbare Entwicklung geben, konterte Rüße. Einig waren sich die beiden Agrarexperten, dass nur möglichst weitreichende gleiche Produktionsbedingungen – etwa auf EU-Ebene – die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft gewährleiste. Übereinstimmung unter den Experten und den fachkundigen Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmern gab es in der Einschätzung, dass die vorhandenen Instrumente besser genutzt werden müssten, um der Landwirtschaft Perspektiven aufzuzeigen.
Manfred Müller, Vorsitzender von Westfalen-e.V. und Moderator der etwa zweieinhalbstündigen Veranstaltung, hob hervor, dass die Landwirtschaft nach wie vor ein sehr prägender Wirtschaftsbereich in Westfalen sei. Dass es Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln für die Verbraucher in Deutschland gebe, sei ein Verdienst der Bäuerinnen und Bauern, der nicht als selbstverständlich aufgefasst werden dürfe.